Cor anglais in der Schyven-Orgel zu San José

Das Cor anglais 8′ im II.Manual (Positif) der dreimanualigen, mechanischen Schyvenorgel war mindestens seit 50 Jahren unspielbar. Und es ist auch jetzt nicht unbedingt ein ausgeglichenes Musterbeispiel für durchschlagende Zungen. Aber wir konnten in Anbetracht sehr begrenzter Zeit wenigstens die unteren drei Oktaven zu sprechen bringen. Leider fehlen im Diskant einige Pfeifen, so dass hier noch Nacharbeit erforderlich ist.

Das Cor anglais hat als Vorbild das Englischhorn und es wäre auch angemessen, wie bei dem Orchesterinstrument die Becher des Pfeifenregisters mit doppelkonischen Aufsatz zu gestalten. Schyven hingegen hat nur einfache, konische Becher verwendet. In den unteren beiden Oktaven sind die Stiefel aus rechtwinkligen Holzkästen, die mit einem dünnen Holzrohr in den Stock führen. Auf diesen Holzkästen sitzen Nuß und darauf die Becher. An den Bechern haben sich vergangene Orgelbauer abgearbeitet, was jedoch ohne Bedeutung bleiben sollte. Einige der durchschlagenden Zungen waren stark verbogen. Von Schyven selbst stammen sehr schlecht gefertigte Kehlen mit aufgebrachten Platten, die sich gelöst haben. Die Einpassung der Zungen mit nur einer Schraube ist eigentlich ein elementarer Konstruktionsfehler – weil nur zehntel Millimeter Verschiebung reichen, um die Zunge nicht mehr ansprechen zu lassen. Die Zungen jedoch sind aus gutem Material und sprechen ganz gut an  – im Gegensatz zu seinen aufschlagenden Zungen in den Trompeten, die so ziemlich alle bis heute ersetzt werden mussten.

Hier nun einige Bilder zum Thema:

eine Ansicht der Zungenpfeifen, im Vordergrund befindet sich ein neues Register „Clarinette“ aus den USA, dahinter mit Holzstiefel und konischen Becher die Pfeifen der Cor anglais 8′

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auf diesem Bild: Kehle, Keil, Schraube und Zunge.

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auf den kommenden drei Fotos mein Hauptkritikpunkt dieser Schyven-Konstruktion, nämlich die schlecht aufgebrachte Platte auf die Kehle, welches viele Pfeifen auf Jahrzehnte zum Schweigen brachte:

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Und an diesem Foto zeigt sich ein konstruktives Problem. Wären, wie bei anderen durchschlagenden Zungen üblich, die Zungen mit zwei Schrauben befestigt, so kann die Zungen nicht verschoben werden, wie hier auf dem Bild:

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gwm 06.06.16

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Doppelflöte 8′ und Bourdon 16′ Motherwell Opus 876

Der Bourdon 16′ dieser Orgel mit Baujahr 1900 ist wohl der tragendste und grundvollste Bourdon, an den ich mich erinnern kann.

Ich habe es aufgegeben selbst mit guten Mikrophonen diese Klänge in digitale Klänge umwandeln zu wollen. Das Geheimnis nämlich ist weniger der direkte meßbare Frequenzumfang und das, was man auch in dicken Baßboxen überführen kann, als die magische Verwandlung der verschiedenen Register, wenn der Bourdon hinzugegzogen wird. Wie ein hölzernes, tiefgründiges Aufatmen geschieht da, das Trompeten und Flöten wie in einem warmen Bad im Unterholz aufleuchten lassen, das in der Tat auch an Sonneneinstrahlung im waldigen Unterholz erinnern lässt. Und hierfür haben wir dann schon kaum noch Worte, weil wir bereits in eine seelische Transfiguration hinabschreiten, die philosophisch als Transzendenz bezeichnet wird und wo auch den Philosophen das Wort langsam ausgeht. (Außer unseren heutigen Philosophen, die quatschen munter weiter, ohne jedoch noch etwas an Bedeutsamkeit zuzufügen)

Nun also zu den realen Fakten, die dieses Holzgebirge in unserer Orgel im schottischen Motherwell beschreiben.

Die Mensuren des Bourdon 16′ werde ich später einfügen, da mir die Unterlagen dazu gerade fehlen. Von der Doppelflöte 8′, hier in Motherwell ist es natürlich eine Double Flute, werden dagegen fast alle Zahlen auf den Tisch gelegt, die irgendwie Bedeutung haben. Aber auch muß ich die Mensuren von C-H nachtragen.

Beginnen wir am Spieltisch, ein fast unbedeutender Zug rechts unten, neben dem Prospektprincipal (Open Diapason) zeigt uns die englische Schreibweise, die wie weitere Schreibweisen, der Sache nicht gerecht werden. Denn Flöten, das wissen wir aus Oscar Walckers reichhaltigen Besuchen und Schilderungen aus England, das waren Spezialitäten der Deutschen gegenüber den Engländern und Franzosen – und daher hätte man ihre Namen in deutsch lassen sollen.

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Auf den Pfeifen finden wir hingegen die Schreibweise der heutigen „Digitalisten“, die sehr genau wissen, dass man auf dem Internet keine Umlaute verwenden soll, weil das für allerlei „Browserkram „und anderes Chaos bedeuten kann.

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Die Doppelflöte hat ihren Namen natrülich von ihrer doppelgesichtigen Janus-Gestalt, die im doppelten Labium begründet liegt. Durch die doppelte Kernspalte kann doppelt soviel Wind fliessen, was dieser Flöte einen kräftigen Ton gibt, der auch dann später bei den einlabigen kleineren Pfeifen beibehalten wird und dort zu einem hölzernen Rauschen führt, das unmittelbar an eine Panflöte erinnert.

Die Doppellabierung wurde bei unserem Register von g°-h“ausgeführt. Die große Oktave(natürlich offen) und die Pfeifen ab c“‘ sind mit nur einem Labium gefertigt. An dem nachfolgenden Foto sieht man an der rechten Pfeifen die beiden Vorschläge der letzten Pfeife.

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Auf dem nachfolgenden Excelblatt habe ich alle wichtigen Maße dieser Pfeifen notiert. Wer weitere Fragen dazu hat, kann sich gerne an mich wenden, wir haben auch im Mensurenbuch von OW ein komplettes Mensurenblatt von diesem Register, das ich bereits dreimal in diesem Jahr an interessierte Orgelbauer gesendet habe.

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Für das Pfeifenwerk ab fs‘ hat Walcker diesem Hauptwerk eine eigene kleine Windlade spendiert, was der Repetition zugute kommt, denn es sind da weitere Relaisbälgchen angebracht, die flott reagieren. Auf diesem Foto also die Pfeifen der Doppelflöte im Vordergrund, im Hintergrund die Pfeifen des Bordun 16′.

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Diese kleine Zusatzwindlade für den Diskant ist optimal gestaltet. Damit haben wir exakt 3 Windladen fürs Hauptwerk – von der Fertigung her sind es allerdings 5 Windladen. Hier also die Diskantlade mit Ansteuerung durch Bleirohre und Ansicht der Tonventile, darunter sind die Pfeifen des Bourdun 16 von c-f‘ sichtbar.

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Die Gestaltung des Kerns ist aufwändig und filigran, wie an diesem Bild erkennbar.

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Hier eine Übersicht über das Holzwwerk im Hauptwerk dieser Orgel in Motherwell.

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Hierzu gibt es ein Video:

gerhard@walcker.com

18.Aug.2012

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Die Oboe 8 in der Walcker-Orgel in Kairo

Oboen sind bei kleineren Orgeln immer Glanzpunkte, die auch meist vom Intonationsvermögen des Erbauers Kunde tun. Daher war ich anfangs sehr skeptisch ein äußerst lädiertes Pfeifenregister hier vorzufinden, dass freudlos die Flügel hängen ließ und bei dem mehr als 12 Pfeifen gefehlt haben.

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Wir haben es hier mit konischen, deutschen Kehlen zu tun, die von C-f beledert sind. Und da die Belederung an der Kehle ausgespart ist, was heißt, der Platz für das Leder wurde ausgefräst, hat man nicht die Möglichkeit das Leder einfach zu entfernen. Das recht harte „Hirschleder“ wird nämlich im Alter mürbe und hart und man würde gerne darauf verzichten, weil gleiches Leder in selbiger Dicke nicht einfach herangekarrt werden kann. Wir konnten also das Leder gut überarbeiten und haben es neu aufgeleimt und sind auch dankbar nun, diesen warmen, runden Klang in der tiefen Oktave dafür bekommen zu haben.

Bei der tiefen Oktave erhält man so einen recht ordentlichen, engmensurierten Trompetenton. Ab c3 haben wir dann Labialpfeifen.

Man ist erstaunt wie gut und leicht diese Walcker-Pfeifen nach 100 Jahren anspringen und einem von der Hand gehen, wenn man zuvor in einer römischen Tamburini seine Dienste versehen musste. Denn deren Zungenpfeifen waren allesamt nicht nur schlecht mensuriert sondern ausgesucht schwierig zu handhaben und bei den kleineren Zungenpfeifen sogar mit extrem üblen Zungenmaterial bestückt. Wir haben dort praktisch alles Zungenmaterial erneuert, während hier an der Walcker nur etwa 5-6 Zungen ersetzt werden mussten.

Im Gegensatz zu Trompetenbechern müssen Oboen 100%ig in ihrer Bechermensur sitzen. Dann klingt und verschmilzt dieses Register mit allen anderen hervorragend. Besonders gern mag die Oboe hölzerne Begleiter wie Bordune, Konzert-, Travers- und Wienerflöten. Bei solch einer recht kleinen spätromantischen, wie hier die Walcker-Orgel in Kairo ist die Oboe nicht nur Soloinstrument sondern ganz elementar für Plenum und Tutti zuständig, gewissermaßen das Salz in der Suppe.

 Auch die Stimmung wird bei der Oboe  besser gehalten als bei kurzbechrigen Registern.

oboe02.jpg   oboe03.jpg

Die Oboe kann sogar mit dieser butterweichen Mixtur des Schwellwerks alleine gespielt werden (wenn die Orgel gestimmt ist.

Wir habens trotzdem gewagt eine Pleno-Tutti-Registrierung zu zeigen, gesteigert mit Sub und dann Superkoppel. Da ist allerdings noch nicht der wärmende Bordun 16 und Prinzipal 8 des Hauptwerks mit drin. Da sind wir gerade dran.

Und dann gibt’s ja bald das Fernwerk mit Gemshorn, Bordun 8 und Voce umana.

 

hier das Video zur Oboe:

 

gwm

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Das Geheimnis der Walckerschen Concertfloete in Cairo

Es war ein hartes Stück Arbeit, bevor wir irgendeinen Ton dieses seltsamen Registers hören konnten.

Der Stock der Töne C-H war zersägt worden, etwa 4 Pfeifen aus der Mittellage fehlten, und wie allgemein bekannt, waren alle Relais und ein erheblicher Teil der Windladen-Unterbretter zerstört. Die Holzpfeifen C-f erklangen übel gelaunt, als man sie das erste mal anspielte, weil die Pfeifen sich gegenseitig anbliesen und Klangentwicklung unmöglich machten. Wir mussten also neue, verlängerte Pfeifenfüsse in Cairo fertigen lassen, was mich durch die sehr gute Fertigung überraschte.

C-f  Holz, innenlabiert, mit einem offenen, tragenden und runden Holzklang, warm und wunderbare Unterlage für alle weiteren Register.

fs-f‘, Metall, relativ weitere Flötenmensur, mit Aufschnitten ca 1/5LB, also recht nieder, auf der Lade und um den Spieltisch recht zurückhaltender Ton, im Raum aber durchdringend, tragend

fs‘-a4, Metall, überblasend, doppelte Länge, ebenfalls ein Klang, der sich im Raum entwickelt und mit den anderen Register wundervolle Synthesen eingeht. Der Anblaston ist bei einer Traversflöte eine Idee stärker, daher ist dieses Register universeller einsetzbar. Mit der Superkoppel bekommt die Concertflöte eine weitere, tiefere Dimension. Es ist hier, als käme etwas Glanz dazu, weniger der Kraftzuwachs.

Wird die Concerflöte mit der Gambe zusammen gespielt, entsteht der Eindruck, als habe man ein schwaches Zungenregister im Hintergrund dazu gesetzt.

concertrloete.jpg   bild04.jpg   concertfloete-c.jpg   bild04a.jpg    concertfloete-f.jpg

Offensichtlich gab es um die Jahrhundertwende eine erste Schreibreform in Deutschland. Wir sehen hier die alte Schreibweise mit „C“oncert, während an der Walcker-Orgel für Michaeliskirche Hamburg eine radikale Eindeutschung der Registerschreibweisen durchgeführt wurden, die bei den gravierten Registerschildern und Dokumentationen auftreten, also „K“onzertflöte. Hingegen finden wir bei den Pfeifenstempeln und bei den beschrifteten Orgelteilen der Arbeiter meist die alten Schreibweisen.

Karl Lehr schreibt, dass er selten eine so schöne Konzertflöte, wie die von Walcker im Wormser Festhaus gehört habe: gehaltvoller Ton, gesättigt, rund und edlem Ton, bei dem der Flötencharakter in vorzüglicher Weise nachgeahmt wird. Auch Oscar Walcker erwähnt so ganz nebenbei und in tiefer Bescheidenheit, dass die Flöten der Deutschen (und da meint er Walcker) unschlagbar gegen die anderer Nationen sei, erwähnt aber die vorzüglichen Principale und Zungen der Engländer (die Zungen der Franzosen hat er natürlich nicht erwähnt).

Hier das Video zu diesem Blog mit dem sound der herrlichen Concertlfloete-Gambe-Combination:

gwm 19.2.2012 in Cairo

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Dolce 8′ versus Viola d Gamba

Von der Dolce 8′ des I.Manuals (von Hauptwerk mag man bei fünf Registern kaum sprechen) waren überraschend viele Pfeifen vorhanden. Und zwar gab es von c-a4 nur eine fehlende Pfeife und leider die große Oktave C-H mussten wir gegen ein Gedackt aus unserem Bestand auffüllen.

Werkbuch Walcker „op.1668 Cairo“

werkbuch.jpg

Die größte Überraschung aber war der Klang dieser Dolce.

Zunächst der Hinweis, dass bei konisch gestalteten Pfeifenformen versucht wird ungeradzahlige Teiltöne zu fabrizieren, das ist bei Gemshorn und Dolce zweifellos der 5te Teilton, die Terz, welche je nach Winkel dieses Konus stärker oder weniger stark in Erscheinung tritt.

Hier bei dieser Dolce also, wo ohnehin die „dulce-Süße“ im Vordergrund steht, die Klangstärke also erheblich reduziert ist, bewirkt dieser schwache Terzton ein unerhört feines, hintergründiges Raunen, das an ein durchschlagendes Register erinnert; aber eben nur „erinnert“, denn jedes „Forschergehör“, das nicht vom romantischen „In-sich-selbst-Gestalten“ inspiriert ist, wird wie unsere deutschen Neobarokkos gezeigt haben, sich einen Dorn in die Hand nehmen und die Fußlöcher erst mal auf „ordentliches“ Maß aufdrehen, damit man überhaupt einen Grundton wahrnimmt.

Da haben wir hier in Kairo Glück gehabt, von drei, vier Pfeifen abgesehen, waren alle Pfeifen beanstandungslos. Manche Stimmvorrichtung musste nachgelötet werden, mancher Pfeifenkörper wurde rundiert, aber der Klang, der hat auf dieser Hängebälglade eine Qualität, wie ich sie noch nie vorher gehört habe und ich konnte mich kaum vom Spieltisch mehr losreißen,

Die Gambe 8′ des Schwellwerks haben wir seit Weihnachten spielbar und es war schon erstaunlich welcher gewaltige Lautstärke die beiden Register unterschied. Wunderschön das Zusammenspiel mit rechter Hand auf  Gambe und linker Begleitung mit der Dolce. Das kann ich mangels Organistenausbildung Ihnen hier nicht in entsprechender Qualität zeigen: aber es ist versprochen demnächst es nachzuholen.

dolce01_fussloch_c1.jpg   dolce01_pfeifen0.jpg  dolce01_fussloch_c2.jpg   dolce01_raster.jpg   dolce01_pfeifen2.jpg

und hier das Video, welches wir für diesen Zweck in Kairo gemacht haben, während draußen, drunten und drüber Revolutionsgeschrei die Stadt erfüllte:

gerhard@walcker.com  05.02.2012

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Ungewöhnliche Pfeifenformen in der Walcker-Orgel Op.3642 in Berlin-Matthäuskirche

Die Orgel der Berliner Matthäuskirche wurde 1958 unter der Opuszahl 3642 gebaut mit II/41.

Die Dispo ist nachfolgend:

 

 3642_dispot.jpg

 

Es handelt sich bei der Orgel um eine Dispo-Mensuren Gestaltung des Gelehrtenteams Schulze-Kühn aus Berlin, die ein typisches Kind ihrer  Zeit war, mit dem Hintergedanken, durch synthetische Teiltöne möglichst das gesamte Farbspektrum der Orgel abzudecken. Eigentlich eine  typisch nachmoderne Idee, die allerdings vernachlässigt, dass „warmer Klang“ nicht unbedingt ein synthetisches Konstrukt aus vielen kleinen Pfeifen ist, sondern hier auch das Geräusch der großen Brummer eine Rolle spielt, und am Ende auch das irrationale Gefühl mit eine Rolle spielt. Womit wir wieder bei der Romantik wären.

Dennoch sind hier interessante Gedanken enthalten, die ich mit einigen Mensuren Maßen aufzeigen will.

Zunächst erkennen wir an der Disposition, dass die ungeradzahligen Teiltöne, wie Terz und Septime als Teiltöne des tiefsten Grundtons genannt sind. 16/5′ = 3 1/5′ (man teilt einfach den Zähler durch den Nenner), am Zähler 16 erkennen wir, dass es ein Teilton des 16′ ist, während die Quinte 8/3′ ein Teilton des 8′ ist und 2 2/3′ Länge hat. Der Nenner sagt immer aus, um den wievielte Partialton (1/16‘ sagt uns, der 16.te Teilton des 1Fuß)

Der Gedanke ist nun, dass das Prinzipalplenum möglichst vollständig sein muss und die Teiltöne 16/5 und 16/7 zur Dunkelfärbung des Plenums beitragen sollen bzw. ein Grand-Cornett gebildet werden kann. Ich habe allerdings Bedenken, dass dies bei dieser Orgel so flott und einfach funktioniert, da mir die Mensuren vorliegen, die das nicht unbedingt versprechen.

Das II.Manual nun soll als helleres Gegenklavier funktionieren und Erfüllung von Aufgaben mit Solo- und Farbfunktionen.

Das Problem bei solchen Orgelkonstruktionen stellt sich, wenn es um die synthetische Bindung der Teiltöne zum Grundton geht. Ein Trompetenton zum Beispiel, hat immer einen gesunden Grundton 8/1, einen starken zweiten Partialton 8/2, eine zurückhaltenden 8/3 Quinte und mindestens einen gut hörbaren 8/5, also eine Terz. Dazu kommt aber etwas, das nicht über die Teiltöne konstruiert werden kann, nämlich die Sägezahnschwingung, die im Gegensatz zur Labialpfeife nur bei den Zungenpfeifen erzeugt wird. Dies wird bewirkt durch das Aufschlagen der Zunge auf die Kehle, hier bricht die Schwingung im Zungenpfeifenkörper radikal ab und beginnt von vorne. Man kann also nicht alle Farben und Klangfaktoren synthetisch durch Aliquotpfeifen erzeugen. Dazu kommt das Geräusch und die verschiedenen Anblastechniken bei mehreren Teiltonpfeifen. All das und noch mehr hat uns gezeigt, dass sowohl die synthetische Klangerzeugung über Zugabe von Pfeifen genauso wenig Erfolg verspricht, wie die ohnehin erfolglose Synthetisierung mit elektronischen Mitteln.

Die Pauke, bestehend aus den Tönen D, G und A im mittleren Turm dieser Orgel, dürfte als reines Effektregister ihre beschränkte Tauglichkeit beim Musizieren haben.

 

 

 3642_prospekt.jpg

 

Wir haben hier auf dem nachfolgenden Bild die Septime 16/7’= 2 2/7′ (als 7ter Teilton des 16′) Das Register ist sehr weit (C= 142,5mm Lab 1/20 weiter oben  1/8)  und dürfte durch die wahnsinnig schmale Labierung nur sehr zart sich einmischen.

Bei der konischen Terz 16/5′ = 3 1/5′, die dann zylinderförmig fortsetzt, haben wir beim C= 133 x 44mm und eine Labierung von 1/20.

Die Flute à pavillon 2′ hat beim C=35mm und der obere Aufsatz ist auf 55mm geweitet, die Labierung liegt bei moderaten 4,5 Teile.

Die Mollterz 128/77′ = 1 5/7′ glänzt mit sagenhaften 101mm auf 33,5mm und einer Labierung von 1/17 auf.

 

 3642_pfeife02.jpg

Erwähnenswert scheint mir noch die geplante (oder auch ausgeführte) Zusammensetzung eines Aliqout 2fach mit folgender Zusammensetzung:

 

C-H

2/5′

1/5′

c-h

4/5

2/5

c‘

8/5

4/5

c“

16/5

8/5

C3

32/5

16/5

 

 und erwähnenswert ist noch die hier eingebaute kubische Pfeife, am nachfolgenden Foto sieht man ein C und eine kleine am Boden, leider habe ich hierzu noch nicht die Maße gefunden:

 

 3642_pfeife01.jpg

 

 gewalcker@t-online.de

 

 

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Walcker-Zungen der späten Orgelbewegung

Ein 4Seiten-Blatt über Zungenregister, wohl herausgebracht um 1950, hat uns Lehrlinge bei Walcker sehr interessiert.

Es waren die verschiedenen Becherformen von Zungenpfeifen und die Beschreibung der Klänge. Auch geht daraus hervor, dass man bei Walcker, mit Sicherheit auf Initiative Oscar Walckers, bei den Zungen mehr am englischen Orgelbau orientiert war (zumindest bei der Oboe) als bei den Franzosen. Heute ist sowieso abzusehen, bis wann derZeitpunkt kommen wird, wo man all die nachgemachten Cavaillé-Zungen nicht mehr hören kann, und auf feinere Hörgewohnheiten zurückgreift.

Hier also das 4seitige Dokument:

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gwm

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Crescendo – Decrescendo auf einer Neobarock-Orgel

Maestro Licata hat mir während der Orgelprobe gesagt, dass er es außerordentlich findet, wie das Crescendo – Decrescendo dieser Orgel mit den neuesten Arbeiten gewonnen habe, und wir haben heute die aufgenommenen Klangbeispiele untersucht und gefunden, dass es tatsächlich sehr gewonnen hat. Die Gründe dafür sind, dass man alle leisen Achtfüsser soweit es überhaupt ging, angehoben hat in der Lautstärke.

Wir haben hier zwei Crescendo-Beispiele als mpo3-files eingebracht auf denen man diese Entwicklung hören kann. Das Hinzutreten der hellen Ripienis ist natürlich Eigenart dieser Orgeln. Man sollte sich auch nicht stören an den im Nebenraum übenden Flötisten.

Hier das erste Beispiel „Crescendo-Decrescendo von Prof. Alessandro Licata gespielt:

crescend_decrescend01.mp3

hier ein sehr langsames Crescendo von einem seiner Studenten vorgetragen:

crescendo02.mp3

Und hier zwei Beispiele, die nichts mit dem Crescendo zu tun haben, aber mit typischen Register dieser Orgel. Das Cromorne haben wir beinahe im Vorfeld der Intonation aufgegeben, als unheilbar fehlerhaft an Mensur in Kehlen und Becherform leidend.

Bis ich endlich die Zeit hatte am letzten Tag alle Zungenblätter auszuwechseln und ein ganz farbig manierlich werdendes Register erklang. Ich selbst habe mit kurzbechrigen Registern und Zimbel wenig am Hut, aber hier kam Freude auf, als man diese Zwerge miteinander kombinieren konnte.

Also (Terz)-Zimbel, Nachthorn 8 und Cromorne 8:

zimbel_nachthorn_cromorne.mp3

und das Cromorne mit labialem Achtfuss:

cromorne.mp3

gewalcker@t-online.de

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Orgel Stimmen mit dem iPad

Stimmen mit dem iPAD

Das Stimmen einer Orgel ist keine einfache Sache. Je mehr Register und je mehr gemischte Stimmen in dieser Orgel vorhanden sind, desto größere Schwierigkeiten treten auf, weil auch letztendlich der beste Stimmer seine Ermüdungserscheinungen hat und dann Konzertrationsstörungen zu unschönen Erscheinungen führen können und weil die Möglichkeiten der Störung bei größeren Orgel drastisch ansteigen.

Als große Hilfe sehe ich daher Stimmgeräte an, die beim Stimmen ständig eine optische Stütze bieten.

Das beste Gerät das ich bisher fand, war jenes sagenhafte App „Cleartune“, das mir Christhard Rensch empfohlen hat und mit dem ich sowohl als   iPhone- und iPadvariante  immer ein gutes Kontrollorgan bei langen Sitzungen gehabt habe. Die iPad-Variante ist wegen der großen Anzeige und 10stündiger Bereitschaft mein Favorit.  Die iPad-Lösung kostet rund 5 Euro und ist jedem mir bekanntem Stimmgerät in mehrfacher Hinsicht überlegen. Sowohl in der Bandbreite, es kann bis zum c4 eines 1′ gestimmt werden, der Stimmton a kann in 1/10 Hz Schritten eingestellt werden, in Displayansicht und Dauer (über 10 Stunden mit einer Batterieladung ist kein Problem) und ebenso der Präzision durch ein super Mikro, ist diese Technik das Beste was es bisher in diesem Bereich gibt. Vegessen Sie also alle Stimmgeräte, die 500 bis 1000Euro oder mehr kosten. Im iPad schlummern alle Stimmungen, von reinem Phytagoräisch bis zu Werckmeister III. Wer seine Ohren schonen will, kommt bei solchen Orgeln, wie sie Tamburini nach 1950 konzipiert hat, am iPad nicht vorbei.

 ipad.jpg

Ich möchte bei diesem Blog nicht auf die verschiedenen Stimmungen eingehen, obwohl das sicher ein sehr interessantes Thema ist, das auch von dieser Perspektive aus weitere Anreize bieten kann.; aber letztlich ist dieses Thema so umfassend, dass man mehrere Tage und Schreibmaschinenseiten dafür aufwenden kann, ohne es je abschließend behandelt zu haben. Außerdem gibt es hierzu wahrlich umfassendes Material auf dem Internet besonders bei Wikipedia. Leider wird hier sehr viel Mathematik und Tabellenwissen geoffenbart, anstatt die jeweiligen musikalischen Aspekte der verschiedenen Stimmungen zu beleuchten, aber das wird man sicher auch an anderen Stellen finden.

 

Gleichschwebende Stimmung

Wir behandeln hier ausschließlich die „Gleichschwebende Stimmung“ auch „Gleichstufige Stimmung“ oder „gleichstufig temperiert“ genannt. Alle anderen Bezeichnungen für diese Stimmung sind nicht zutreffend.

Bei dieser gleichschwebenden Stimmung sind nur die Oktaven reingestimmt, alle anderen Intervalle sind mehr oder weniger unrein. Ein rein gestimmter  Intervall lässt keine Schwebung mehr zwischen zwei Tönen hören.

Der Abstand zwischen den einzelnen Halbtönen innerhalb der Oktave ist exakt gleich  = 100 Cent.

(siehe hierzu die Tabelle in Wikipedia)

 

Wird also mit dem Stimmgerät „Gleichschwebende Stimmung“ eingestellt und damit sauber und präzise ein Prinzipal 4′ von C-c4 durchgestimmt, so kann man sicher sein, dass alle Oktaven absolut rein gestimmt sind, während Quinten, Quarten, Terzen ihre bekannten Schwebungen haben.

 

Temperaturänderung im Raum

Hinzu kommt, dass bei Änderung der Raum-Temperatur sich die Stimmung verändert. Erhöht sich die Temperatur erklingt die Pfeife in höherer Frequenz und umgekehrt bei niederer Temperatur klingt sie tiefer.

Wir haben mit dem Stimmgerät jedoch die Möglichkeit eine zu gegebener Temperatur gestimmte Pfeife als Stimmton festzulegen und bei Veränderung der Temperatur, das Stimmgerät danach auszurichten.

 

Beispiel: Bei der Stimmung des Prinzipal 4′ haben wir eine Raumtemperatur von 16,5 Grad Celsius und dabei haben wir festgestellt, dass die Pfeife a1= mit  441,6Hz vom Stimmgerät gemessen wird. Mit dieser Stimmung können wir also in der Orgel stimmen, solange die Temperatur 16,5 Grad Celsius beträgt.

Wird nun die Temperatur erhöht auf 17,2 Grad Celsius. So messen wir wieder mit dem Stimmgerät, das nach meiner Aufzeichnung nun 442,5 Hz bei a1 anzeigt. Wir prüfen weitere Töne, um sicher zu gehen, dass wir bei der erhöhten Raumtemperatur die richtige Einstellung am Stimmgerät belassen können. Und sind nun in der Lage, trotz Erhöhung der Raumtemperatur auf exakt der gleichen Stimmung in der Orgel weiter zu stimmen, ohne großartige Berechnungen durchführen zu müssen oder Tabellen heranzuziehen. Alles das kann nämlich auch fehlerbehaftet sein. Wichtig ist, immer mehrere Kontrollen durchzuführen und sehr dynamisch jeden Schritt abzugleichen, dann kann nichts schiefgehen.

 

Weitere Schikanen beim Stimmen

Zu beachten ist, dass wie hier in Santa Cecilia noch weitere Schikanen das Stimmerleben beeinträchtigen können. Wenn nämlich der Motor draußen aufgebaut ist, wo es nachts gefährliche tiefe Temperaturen hat, die nicht von uns messtechnisch beachtet werden können. Hier sind Tabellen und Formelberechnungen hilflos. Während das Messen mit dem Stimmgerät wenigstens teilweise diese Schwankungen mit aufnimmt.

Ein weiterer oft beobachteter Vorgang: der Hausmeister braucht dringend einen Stein für seine Autoreparatur. Er erinnert sich an die vielen (unnötig) auf dem großen Orgelbalg liegenden Backsteine. Er braucht ja nur einen. Der Orgelstimmer kommt am nächsten Tag und bemerkt mit der ersten Probe am Stimmregister, dass das a1 nur 437Hz hat, obwohl die Raum-Temperatur genau wie gestern war. Die Überprüfung der Winddrücke verhindert eine Katastrophe.

 

Stimmgerät und Stimmregister

 Der Prinzipal 4′ des Hauptwerks ist in der Regel das Stimmregister, mit dem alle anderen Register in der Orgel gestimmt werden. Daher wird besonders große Sorgfalt bei Beachtung dieses Registers geschenkt.

Der Prinz.4′ im Hauptwerk wird bei der Stimmung der 75 Registerorgel in Santa Cecilia mehrmals am Tag kontrolliert und gemessen. Wir haben derzeit unheimliches Glück, weil die Temperatur nur wenige Grade Celsius ansteigt.

Da man dieses Stimmregister in den unteren Regionen bei I.Manual und im Schwellwerk kaum als Vergleichsregister heranziehen kann, ist die Hilfe via iPad mehr als willkommen.

Man stimmt also einen Prinzipal 4′ im III.Manual nach der am Stimmgerät eingestellten Tonhöhe und vergleicht dann am Spieltisch den Hauptwerkprinzipal 4′ mit dem Schwellwerkprinzipal 4′ indem man alle vier C-Tasten drückt, III.Manual aufs Hauptwerk im II.Manual gekoppelt. Es darf keine Schwebung hörbar sein. Diesen Vorgang wiederholt man auf allen Tasten bis zum c4.

Nach erfolgreicher Überprüfung hat man ein Stimmregister in diesem III.Manual, das nun ebenso wie der Prinzipal im II.Manual regelmäßig auf korrekten Stand der Stimmung geprüft wird.

 

 

Stimmen verschiedener Register einer Windlade

Das vom Stimmer am weitesten entfernte Register einer Windlade wird zuerst gestimmt, darauf folgt das nächste usw., das letzte Register ist also dasjenige, welches unmittelbar am Stimmgang steht. Dadurch kommen wir nicht in Versuchung ein bereits gestimmtes Register erneut zu touchieren.

Alle 8Fuß-Register stimme  ich direkt und ohne ein Stimmgerät zu benötigen mit dem Stimmregister. Zur Kontrolle steht das iPad an gut übersichtlicher Stelle, weil ich sofort sehe, ob der neu angeschlagene Ton zu hoch oder zu tief ist, auch wenn das Stimmregister dazu geschaltet ist und dominiert. Das ist das Schöne an diesem Stimmgerät, bei dem man übrigens die Nadeldämpfung stärker oder schwächer einstellen kann, je nachdem wie  obertönig das Register klingt.

MIXTUREN : kann man ganz hervorragend mit dem iPad stimmen. Man muss aber beachten, dass bei freigeschalteter Tonsuche, das Gerät die Quinten als Grundtöne ermittelt. Wer dann diese Quinte rein stimmt, stimmt den Mixturton mit Schwebung, weil wir nur die Oktaven rein haben dürfen.

Beispiel: auf c0 haben wir  2 – 1 1/3 – 1 – 2/3, alle 4 Mixturpfeifen sind abgesteckt, man öffnet die Pfeife des 1 1/3′, das Stimmgerät ermittelt das g0. Stimmt man diese Pfeife  nun rein auf das Stimmgerät, so stimmt der Ton  nicht auf das c0, weil wir zwischen c0 und g0 bei der Gleichschwebenden Stimmung bekannte Schwebung haben. Hier hilft folgender Trick. Hinzuziehen des Prinzipal 4′, zuerst stimmt man den 2′ rein zum P4′, dann kann man problemlos die Quinten  aufmachen und weiterstimmen. Das Stimmgerät sortiert die weiteren Pfeifen der Mixtur als Partialtöne, die zum Grundton rein sein müssen, ein.

SESQUIALTER 2 fach und Cornett: auch hier ist wichtig das Terz und Quinte nicht vom Stimmgerät als Stimmton ermittelt werden dürfen, sondern Terz und Quinte sind rein zur gedrückten Taste zu stimmen. Das ergibt feste Centwerte, mit denen man arbeiten kann, das aber auch sehr umständlich sein kann. Deswegen empfehle ich immer bei solchen Stimmen den Stimmprinzipal dazu zuziehen und in den höheren Oktaven die Oktaven der Tasten dazu zu schalten.

 

Zungen stimmen

Zungen sind sehr einfach zu stimmen und haben dabei den Vorteil, dass hier kein Material bewegt wird, das fest mit dem Pfeifenkörper verbunden ist. Daher kann man Zungen sehr gut für Ausbildungszwecke zum Stimmen einsetzen. Aber diese Register sind auch gut dafür geeignet verschiedene Stimmungen auszuprobieren, wie sie dieses Stimmgerät anbietet. So kann man die verschiedenen Pythagoräischen Stimmungen, die mitteltönigen Stimmungen mit reinen Quinten und Terzen testen, oder all die sogenannten „wohltemperierten Stimmungen“ worunter Aron-Neithardt, Barnes’Bach, Fast-gleichschwebend, Kellners Bach, Kirnberger III, Transp. Vallotti/Young, Vallotti, Werckmeister i/III , die Französischen Stimmungen bis Rousseau IV, oder auch selbstprogrammierte Stimmungen erproben.

Es gibt verschiedene physikalische Aspekte, die man mit dem Stimmgerät prüfen und nachvollziehen kann, oder, die einem schlichtweg suspekt sind.

Es ist meiner Meinung nach nicht möglich mit diesem hochkomplizierten Messgerät festzustellen, was sich im menschlichen Ohr ereignet wenn Schwebungen zwischen Tönen stattfinden. Zum Beispiel die berühmte Erzeugung des Grundtones wenn der 2. und 3- Partialton erklingen. Also 10 2/3′ und 16′ erzeugen den Grundton 32′. Das ist auch im kleineren Maßstab 5 1/3′ und 8′ erzeugen den 16′-Ton, mit keinem Meßgerät der Welt erfassbar.

Hier findet im menschlichen Ohr oder psychosomatisch etwas statt, das mit Akustik nur am Rande etwas zu tun hat. Das betrifft übrigens sehr viele andere Dinge, die man beim Stimmen bemerkt und die in der Physik anders benannt werden. So werden zum Beispiel alle Orgelbauer sehr früh gelehrt, dass das Labialwerk sich verstimmen würde, während die Zungen stabiler bleiben. Und da Zungen weniger in der Orgel sind, stimmt man halt diese nach. Aber wer bei einer verstimmten Orgel die Zungen-Oktaven prüft und dann die Labialen-Oktaven, wird eines anderen belehrt.

 

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Grundlagen der klassischen italienischen Orgel und ihre Parallelen in Santa Cecilia

Von Ferdinand Klinda gibt es das hervorragende Buch „Orgelregistrierungen- Die Klanggestaltung der Orgelmusik“ erschienen 1987 in Breitkopf &Härtel, das sich mit der Registrierung und Klanggestalt der italienischen Orgel auseinandersetzt. Jedenfalls habe ich bisher noch nicht so klar und verständig über diese Thematik gelesen. Daher möchte ich diesen Auszug hier zeigen. Er ist begleitet von einigen Anmerkungen meinerseits, die sich natürlich mit unserer Erfahrung an der Tamburini-Orgel in Santa Cecilia ergänzen, eine Orgel, die der berühmte Organist und Orgelpädagoge Fernando Germani im Jahre 1964 mit der Orgelbaufirma Tamburini gestaltete. Mit Sicherheit nicht ohne diese historischen Erkenntnisse verwertet zu haben
Hier Originaltext Ferdinand Klinda (vereinzelte Worte wie Jahrhundert in JH abgekürzt)
Seite 39 Kapitel 12

Registrierungen italienischer Orgelmusik des 16. bis 19.Jahrunderts – Ferdinand Klinda
Die Entwicklungsgeschichte der italienischen Orgel zeichnet sich durch eine große Beständigkeit und durch ein Festhalten an traditionellen Orgelprinzipien aus. Bereits in der ersten Hälfte des 16.JH erreichte die italienische Orgel ihre typische Gestalt und behielt sie fast unverändert bis ins 19.JH. Es ist eine sogenannte Reihenstil-Orgel, die durch Aufspaltung des Blockwerks in einzelne spielbare Registerreihen entstand.
16. und 17.Jh
Die italienischen Orgeln im 16. und 17.JH sind überwiegend einmanualige Instrumente mit oder ohne Pedal. Den Hauptbestand der Register bilden Prinzipalstimmen in Oktavlagen und Quintlagen (ab 1 1/3′) in einfacher Besetzung, die zusammen gezogen das Ripieno (Pleno) ergaben und bezeichnenderweise „registri d’organo“ genannt wurden. Als „registri da concerto“ wurden ein bis zwei offene Flötenstimmen in 4′- oder 2′ Lage und die Voce umana (oder Piffaro) disponiert, eine Prinzipalreihe, die um zwei bis drei Schwingungen höher gestimmt wurde (bei Orgeln der venezianischen Schule jedoch tiefer!) und die zusammen mit dem Grundprinzipal eine milde, sehr charakteristische Schwebung erzeugt.
(ANM 01 – hier möchte ich einen Kommentar einfließen lassen, der sich auf die Voce celeste 8′ des III.Manuals in Santa Cecilia bezieht. Denn diese Stimme ist, wie auch der Fiffaro 8′ im II.Manual eine solche schwebende Stimme, in jedem Falle höher gestimmt, wie sie hier von Klinda beschrieben ist. Man kann diese Schwebung nicht so langsam stimmen, wie wir das auch von den deutschen Schwebungen her gewohnt sind. Die Schleifladen und die hier vorliegenden „Anziehungskräfte“ erlauben das nicht. Würde man beginnen die kleine Oktave so langsam zu trimmen, wie das hier beschrieben ist, und wie wir es von unseren Vox coelesten her gewohnt sind, käme bereits bei kleinsten Temperaturverschiebungen wieder ein Stillstand zwischen den beiden Registern zustande. Beachtet werden muss auch der Umstand, dass die schwebende Stimme halbwegs in sich selbst gestimmt sein soll, was heißt, ich überprüfe sie oktavenweise auf Stimmung in sich und auch hier sind im oberen Bereich starke physikalische Kräfte, die minimale Verstimmung-Schwebung, aufzuheben oder auszugleichen. Daher sind die Schwebungen bei Schleifladen oben immer zu schnell. gwm)
(ANM02 zu Ripieno – wir sehen also, dass das Ripieno nicht einfach als „Mixtur“ übersetzt werden darf)

Das typische Schema der klassischen italienischen Orgel lautet:
Principale                       (8′)
Ottava oder VIII              (bedeutet um 8 Untertasten höher klingend=4′)
Quinta decima oder XV     (um 15 Untertasten höher= 2′)
Decimanona oder XIX       (um 19 Untertasten höher= 1 1/3′)
Vigesima seconda XXII    (um 22 Untertasten höher = 1′)  
Vigesima sesta XXVI        (um 26 Untertasten höher = 2/3′)
Vigesima nona XXIX         (um 29 Untertasten höher = 1/2′)
Trigesima terza XXXIII     (um 33 Untertasten höher = 1/3′)
Trigesima sesta XXXVI     (um 36 Untertasten höher = 1/4′)
Flauto in quintadecima XV (2′)
Flauto in ottava VIII         (4′)
Voce umana                    (8′)

Contrabassi pedale           (16′)
Cornamuse (regalartige Zungen 8′) selten

Im italienischen Orgelbau werden Fußtonbezeichnungen nicht verwendet. Stattdessen bezeichnet man mit Worten oder römischen Zahlen den Abstand der Untertasten vom Grundklang.
Der Grundprinzipal – Principale genannt –  klingt immer im 8′-Ton und wurde oft in Principale bassi und Principale soprani geteilt, war also in Baß und Diskant separat spielbar. Die Ladenteilung war verschieden, sie lag meist zwischen c1 und cis1 (wie im Spanischen Orgelbau) bei der venezianischen Schule zwischen d1 und dis1, manchmal auch zwischen a und b. Der normale Klaviaturumfang lag im 16.JH zwischen C und a2, später dann C-c3, mit kurzer tiefster Oktave, also 45 Tasten; einzelne Instrumenten gingen bis d3 (47 Tasten). Größere Orgeln hatten auch größeren Klaviaturumfang, und zwar fünf Oktaven, 57 bzw. 59 Tasten, indem man zur Tiefe hin erweiterte. Die Klaviatur wurde um eine Oktave verlängert. Allerdings hatte die meisten dieser Orgeln einen realen Umfang, der erst bei Kontra-F begann; die drei Töne C,D,E darunter waren von der nächsten Oktave angehängt, sie repetierten hinunter. Die tiefste Pfeife des Principale hätte dann 12′-Länge, und am tiefen Ende der Klaviatur spielten diese Töne:
        D      E      B1           Cis    Dis
C  F1    G1    A1     H1    C      D     E  etc.

Noch größere Orgeln, deren Prinzipale wir als 16′ bezeichnen würden, hatten dieselbe Klaviatur, darüber hinaus aber drei tiefe Töne mehr im Baß0, nämlich C1, D1, E1, also eine real klingende Kontraoktave.
Durch den größeren Klaviaturumfang gewinnen die Orgeln einen größeren Tonumfang, doch keinesfalls eine Registerreihe in er Unteroktave, wie z.B. im deutschen Orgelbau die 16′-Stimmen.
Disponiert und gespielt wurde immer auf der Grundlage des 8′-Grundklanges.
(ANM03, dieser Umstand ist uns bei der 4manualigen Tamburini-Orgel in Santa Cecilia unmittelbar aufgefallen: die Orgel mit rund 75 Registern basiert im Hauptwerk auf einem 8’Register, alles andere, wie der Prinzipal 16′ sind so schwach intoniert (Winddruck um 48mmWS) dass sie nicht als Basis des Manuals erkannt werden, sondern eher, als forciertes Bordunregister)
Die Erweiterung der Klaviatur zur Tiefe hin bedeutete eine Bereicherung der Spielmöglichkeiten und des Tonumfangs der Orgel. Für das Manual und zugleich für das Pedal brachte dies den klanglich willkommenen Bass Bereich, außerdem Möglichkeiten des Lagenwechsels, Verlegung der Stimmen usw., wie es die Alte Spielpraxis zuließ. Keinesfalls war damit eine Verdichtung, Verdunkelung oder Gravität des Klanges beabsichtigt. Man beachte dies gut bei den Registrierungen, um Missverständnissen auszuweichen, die manche Lehrbücher aus den unrichtigen Bezeichnungen 12′- oder 16′ Prinzipale ableiten. Durch die Länge der Klaviaturen ergibt sich eine für Mitteleuropa ungewöhnliche Verschiebung der Klaviaturmitte (c1) nach rechts was eine Verlagerung der Pedalklaviatur zur Folge hat.
Die Pedale der kleinen Orgeln besaßen nur sechs, acht oder neun Tasten, größere Orgeln hatten Pedale mit siebzehn, achtzehn und mehr Tasten, die kurz und schräg waren.
Die Pedaltasten waren an das Manual fest angehängt und spielten die tiefsten Manualtöne mit.

Ein wesentliches Merkmal der italienischen Registrierungen sind die Zusammensetzungen und der Klang der Ripienos, die gegenüber den Mixtur-Orgeln grundverschieden sind.
Die Chöre der Ripienos, prinzipalische Oktaven und Quinten, sind als Einzelregister gebaut und nur einfach besetzt – sie ermöglichen eine separate Benutzung und ein Variieren des Ripieno -Klanges. Es gibt auch keine regelmäßigen  Oktavrepetitionen der üblichen Mixturbauart, sondern die Einzelreihen der Aliquoten sind durchlaufend und repetieren jeweils erst an ihrer Tongrenze(c5), in der Regel die Quinten auf fis, die Oktaven auf cis. Der Tonumfang der Pfeifen des Ripienos ist beiderseitig begrenzt: Es gibt keine tiefe Quint 5 1/3′, und die kleinsten Pfeifen haben das Fußmaß 1/8′
Während bei Mixturen (Scharf, Zimbel) die Repetitionspunkte regelmäßig verteilt sind, nimmt beim Ripieno ihre Zahl in der Höhe zu; in der tiefen Lage kommen keine Repetitionen vor, in der mittleren wenige, in der hohen zunehmend mehr. Die hohe Lage verliert an klangspektraler Breite, wird aber mehrchörig. In der Tabelle 6 sind diese unterschiedlichen Verhältnisse schematisch dargestellt.
klinda01.jpg

(ANM04, die hier von Klinda angesprochenen Ripieni haben wir in der Tat bei der 1964 von Tamburini gebauten Orgel im Hauptwerk und im III.Manual so angetroffen. Besonders im III.Manual wurde festgestellt, dass diese Mixturen ab c2 kaum dauerhaft gestimmt werden können, denn bei einer Zusammensetzung von  2- 2 – 2- 2 2/3 – 2 2/3 bei c3-g3 kann man sich vorstellen wie hier eine eingeschaltete Superkoppel wirkt. Der Umstand, dass die Pfeifen relativ gleichmäßig mensuriert wurden und die Pfeifenfusslängen nicht unterschieden wurden, begünstigt auch hier das Anziehen und Abstoßen der Frequenzen beim Stimmen. Das Fehlen der Klangkrone wird allerdings durch die separaten Einzelstimmen aufgehoben. Insofern wird auch eine Orgel mit solchen Ripieni, die im Prinzipalpleno recht blass klingt, durch das Dazuschalten von 2 2/3- 2 – 1 1/3 – 1 3/5- 1 und eventuell Sesquialter auch im Tutti noch eine krönende Wirkung erzielen.)

Von den Meistern des 17.JH stammt der Brauch, die Pfeifen des Ripienos (ab XV aufwärts) einheitlich zu mensurieren, und zwar im Maß der Ottava (VIII), welches etwas geringer war als das des Principale. Die venezianischen Meister bauten alle Pfeifen des Ripienos in der Prinzipalmensur.
Die Zahl der zum Ripieno gebauten Reihen war verschieden und hing von der Größe der Orgel ab. Kleine Orgeln begnügten sich mit dem Aufbau bis zum XIX (1 1/3′), die größten klassischen Orgeln besaßen Reihen bis zum XXXVI (1/4′). Bis zum Ende des 18.JH und später wurde sogar bis zum XLII (1/8′) ausgebaut.
Während im älteren Orgelbau als höchste Reihe des Ripienos eine Quinte gebaut wurde, bürgerte sich von 18.JH an die Regel ein, mit einer Oktave abzuschließen. In manch größerer Orgel wurden hohe Ripieno-Reihen zu je zwei auf einem Registerzug zusammengeschlossen. (Weswegen wir es in Santa Cecilia im Hauptwerk mit einer 9fachen Mixtur zu tun haben)
(gewalcker@t-online.de)

 

 

 

 

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