Ungewöhnliche Pfeifenformen in der Walcker-Orgel Op.3642 in Berlin-Matthäuskirche

Die Orgel der Berliner Matthäuskirche wurde 1958 unter der Opuszahl 3642 gebaut mit II/41.

Die Dispo ist nachfolgend:

 

 3642_dispot.jpg

 

Es handelt sich bei der Orgel um eine Dispo-Mensuren Gestaltung des Gelehrtenteams Schulze-Kühn aus Berlin, die ein typisches Kind ihrer  Zeit war, mit dem Hintergedanken, durch synthetische Teiltöne möglichst das gesamte Farbspektrum der Orgel abzudecken. Eigentlich eine  typisch nachmoderne Idee, die allerdings vernachlässigt, dass „warmer Klang“ nicht unbedingt ein synthetisches Konstrukt aus vielen kleinen Pfeifen ist, sondern hier auch das Geräusch der großen Brummer eine Rolle spielt, und am Ende auch das irrationale Gefühl mit eine Rolle spielt. Womit wir wieder bei der Romantik wären.

Dennoch sind hier interessante Gedanken enthalten, die ich mit einigen Mensuren Maßen aufzeigen will.

Zunächst erkennen wir an der Disposition, dass die ungeradzahligen Teiltöne, wie Terz und Septime als Teiltöne des tiefsten Grundtons genannt sind. 16/5′ = 3 1/5′ (man teilt einfach den Zähler durch den Nenner), am Zähler 16 erkennen wir, dass es ein Teilton des 16′ ist, während die Quinte 8/3′ ein Teilton des 8′ ist und 2 2/3′ Länge hat. Der Nenner sagt immer aus, um den wievielte Partialton (1/16‘ sagt uns, der 16.te Teilton des 1Fuß)

Der Gedanke ist nun, dass das Prinzipalplenum möglichst vollständig sein muss und die Teiltöne 16/5 und 16/7 zur Dunkelfärbung des Plenums beitragen sollen bzw. ein Grand-Cornett gebildet werden kann. Ich habe allerdings Bedenken, dass dies bei dieser Orgel so flott und einfach funktioniert, da mir die Mensuren vorliegen, die das nicht unbedingt versprechen.

Das II.Manual nun soll als helleres Gegenklavier funktionieren und Erfüllung von Aufgaben mit Solo- und Farbfunktionen.

Das Problem bei solchen Orgelkonstruktionen stellt sich, wenn es um die synthetische Bindung der Teiltöne zum Grundton geht. Ein Trompetenton zum Beispiel, hat immer einen gesunden Grundton 8/1, einen starken zweiten Partialton 8/2, eine zurückhaltenden 8/3 Quinte und mindestens einen gut hörbaren 8/5, also eine Terz. Dazu kommt aber etwas, das nicht über die Teiltöne konstruiert werden kann, nämlich die Sägezahnschwingung, die im Gegensatz zur Labialpfeife nur bei den Zungenpfeifen erzeugt wird. Dies wird bewirkt durch das Aufschlagen der Zunge auf die Kehle, hier bricht die Schwingung im Zungenpfeifenkörper radikal ab und beginnt von vorne. Man kann also nicht alle Farben und Klangfaktoren synthetisch durch Aliquotpfeifen erzeugen. Dazu kommt das Geräusch und die verschiedenen Anblastechniken bei mehreren Teiltonpfeifen. All das und noch mehr hat uns gezeigt, dass sowohl die synthetische Klangerzeugung über Zugabe von Pfeifen genauso wenig Erfolg verspricht, wie die ohnehin erfolglose Synthetisierung mit elektronischen Mitteln.

Die Pauke, bestehend aus den Tönen D, G und A im mittleren Turm dieser Orgel, dürfte als reines Effektregister ihre beschränkte Tauglichkeit beim Musizieren haben.

 

 

 3642_prospekt.jpg

 

Wir haben hier auf dem nachfolgenden Bild die Septime 16/7’= 2 2/7′ (als 7ter Teilton des 16′) Das Register ist sehr weit (C= 142,5mm Lab 1/20 weiter oben  1/8)  und dürfte durch die wahnsinnig schmale Labierung nur sehr zart sich einmischen.

Bei der konischen Terz 16/5′ = 3 1/5′, die dann zylinderförmig fortsetzt, haben wir beim C= 133 x 44mm und eine Labierung von 1/20.

Die Flute à pavillon 2′ hat beim C=35mm und der obere Aufsatz ist auf 55mm geweitet, die Labierung liegt bei moderaten 4,5 Teile.

Die Mollterz 128/77′ = 1 5/7′ glänzt mit sagenhaften 101mm auf 33,5mm und einer Labierung von 1/17 auf.

 

 3642_pfeife02.jpg

Erwähnenswert scheint mir noch die geplante (oder auch ausgeführte) Zusammensetzung eines Aliqout 2fach mit folgender Zusammensetzung:

 

C-H

2/5′

1/5′

c-h

4/5

2/5

c‘

8/5

4/5

c“

16/5

8/5

C3

32/5

16/5

 

 und erwähnenswert ist noch die hier eingebaute kubische Pfeife, am nachfolgenden Foto sieht man ein C und eine kleine am Boden, leider habe ich hierzu noch nicht die Maße gefunden:

 

 3642_pfeife01.jpg

 

 gewalcker@t-online.de

 

 

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2 Antworten zu Ungewöhnliche Pfeifenformen in der Walcker-Orgel Op.3642 in Berlin-Matthäuskirche

  1. Digedag sagt:

    Mannomannomann, na das sind ja mal Bilder. Was ist eine Schreipfeife? Sowas wie ne Mixtur? Was ist ein Holzstabklinger? Wie sieht er aus? Wie klingt er? Wie klingt eine Kubische Pfeife? Und der Prospekt: Aliqouten und Trompeten im Prospekt.

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